Die Tschitscherei und die Tschitschen.
Ein Culturbild aus Istrien.
Vortrag, gehalten in der Section Küstenland.
Von Prof.
Wilhelm Urbas
in Triest.
[Urbas, Wilhelm. "Die Tschitschen und die
Tschitscherei, ein Kulturbild aus Istrien"
Verlag des Dautschen und Oesterreichischen Alpenereins
in Salzburg, (1884), 32 pages.]
Betrachtet man eine Karte von Istrien, so möchte man meinen, die Tschitscherei
bilde die Nord grenze der genannten Halbinsel, und die Tschitschen bewohnen den
ganzen Landstrich zwischen Triest und
Fiume; dem ist nun nicht also. Erst
jenseits des Slavnik, unter 31°40' östlich von Ferro liegt das erste
Tschitschendorf, unter 32°3' das letzte; der südlichste Ort hat 45°23', der
nördlichste 45°33' nördlicher Breite; der ganze Tschitschenboden aber hat einen
Flächenraum von ungefähr 520 qkm (1).
Er stellt ein gegen SO allmälig etwas ansteigendes Hochland dar, welches bei
einer mittleren Erhebung von 400 m von verschiedenen, meist in der Richtung NW=SO
streichenden Gebirgsketten überlagert ist, deren bedeutendste Kuppen; Razgusica
1084 m, Orljak 1106 m, Sia 1234 m und Planik 1273 m, gleichsam die Vorstufen zum
Monte Maggiore 1396 m bilden.
Im allgemeinen zeigt der Tschitschenboden alle die traurigen Eigenschaften des
küstenländischen
Karsts. Von Cosina (OSO von
Triest) bis an den Quarnero hin
zieht sich der Kreidekalk, nur bei Vodice, Mime und Bergut vom Fischschiefer
unterbrochen. Dabei fehlt es nicht an den sogenannten Dolinen, Vertiefungen,
welche bald als riesige Trichter in unbekannte Tiefen abstürzen, bald als
kleinere oder grössere Mulden nur wenig unter das Niveau sinken, stellenweise
aber auch als ziemlich ausgedehnte [2] Thäler zwischen jenen dominirenden Ketten hinziehen. Letztere enthalten oft viel
fruchtbaren Ackergrund, namentlich in den eoce-nen Schichten, welche nördlich von
Obrov und Račice, und südlich von Podgorje und Terstenico den Kreidekalk
einfassen. So dehnt sich beispielsweise südwestlich vom Orljak ein etwa 5 km
langes 300-400 m breites Thal aus voll üppiger Ackererde; freilich müssen drei
paar Ochsen an den Pflug gespannt werden, will man die schwere Scholle aufreissen
und zur Aufnahme neuen Samens durchfurchen. Bedeutende Oasen sind auch Gross-
und Klein-Mune.
Die allgemeine Zerklüftung des Bodens bringt es mit sich, dass die
atmosphärischen Niederschläge, wie überall am
Karst so auch hier sich in die
tausenderlei Löcher und Spaltungen verlieren, und keine oberirdischen Plussläufe
sich bilden. Doch ist die Tschitscherei nicht so wasserarm, als man mit
Rücksicht auf diesen Umstand annehmen möchte; es hat fast jeder Ort seine
Quellen und Brunnen und zwar mitunter von grosser Ergiebigkeit. Man kann dort
Brunnen sehen,
die in der Minute einen Hectoliter Wasser liefern. Das oberhalb
Pinguente
liegende Slam hat zwar kein Wasser, aber schon das nahe Brest hat solchen
Ueberfluss daran, dass es nicht nur den eigenen und den Bedarf von Slum deckt,
sondern auch noch die 3 km entfernte Eisenbahn-Station Rakitovec damit versieht.
Dem entsprechend ist auch die Vegetation in der Tschitscherei im ganzen nicht so
dürftig, wie in manchen andern Theilen des
Karsts; ja es gibt zwischen
Castelnuovo und Mune, zwischen Vodice und Laniše ziemlich ausgedehnte Waldungen (2)
hauptsächlich aus Buchen und Eichen bestehend, die nur einer vernünftigeren
Behandlung von Seite der Bevölkerung bedürften, um in vollem Schmuck dazustehen.
Und da das Wild, welches diese Wälder durchstreift, sich auch keiner besonderen
Schonung erfreut, so vermindert sich der Stand desselben von Jahr zu Jahr,
namentlich fängt das Reh an schon ziemlich selten zu werden.
Welchen Antheil an diesen Verhältnissen das Klima hat, wäre wohl schwer zu
erweisen, da genaue Aufzeichnungen über [3]
meteorologische Beobachtungen aus diesen
Gegenden leider gänzlich fehlen, die wenigen bekannten Thatsachen aber zu keinen
apodiktischen Schlussfolgerungen berechtigen. Im ganzen sind die atmosphärischen
Niederschläge hier weniger ergiebig als im westlichen Theil des Küstenlandes.
Landregen sind selten, desto häufiger die sogenannten Strichregen; ja wenn im
Sommer der Scirocco die Wolken über Felsen und Klüfte jagt, dann kann es
demjenigen, welcher diese Gegenden durchwandert, wohl begegnen, dass er in wenigen
Stunden ein halbes Dutzend abwechselnder Wetter durchmacht, dass er aus dem
Sonnenschein in Regen, dann in Hagelschauer kommt, dann wieder einen Fleck blauen
Himmels über sich sieht u. s. f.
Wie im oberen Isonzogebiet, so sind auch hier Schneefälle im Winter häufiger als
in anderen Theilen des Küstenlandes; dazu fegt um die Kuppen und über das
Plateau die Bora oft mit felsenverschiebender Gewalt, ja der Tschitsche könnte
mit dem besten Recht seufzen: "Hier ist der Bora Mutterhaus" (3).
Dafür gibt es auch im Sommer nicht jene erdrückend schwülen Tage, wie deren
manche Küstenorte des Litorale nicht wenige haben; denn selbst in den tieferen
Einschnitten erreicht die Temperatur, theils wegen der relativ höhern Lage
derselben, theils weil die Luft dünner und trockener ist nie jenen Stand wie
beispielsweise in Görz, Capodistria,
Rovigno.
Wo die Löcher und Vertiefungen des
Karsts nicht ins bodenlose gehen, wo in den
Mulden sich nur einiger Humus angesammelt hat, und mochte der Fleck noch so klein
sein, da hat das Bedürfniss den Menschen auch getrieben, irgend etwas anzubauen,
das ihm Nahrung geben könnte. Darum sieht man da in einer Grube einige Kohlköpfe,
dort in einer andern einige Bohnenranken, hier zeigt sich ein winziges Rüben-
oder Kartoffelfeld, dort nicken einige kümmerliche Halme von Korn oder Buchweizen
— alles sorgsam mit rohen Steinschichten eingefriedet. Wo aber ein grösserer
Raum ausgedehntere Culturen ermöglicht, da sieht man hauptsächlich Hirse oder
Mais angebaut, welche man also für den Tschitschen als die wichtigsten
Bodenfrüchte betrachten kann.
[4] Freilich vermöchte bei der vorherrschenden Sterilität des Bodens der Ackerbau
allein die Bevölkerung nicht zu ernähren; diese sucht desshalb auch nicht in der
Cultur des Bodens, sondern in der Viehzucht die Mittel für ihren Fortbestand. In
welch ausgedehntem Maasse letztere betrieben wird, und welche hohe Bedeutung
dieselbe für Land und Volk haben muss, davon kann man sich einen Begriff machen,
wenn man erfährt, dass z. B. in der Pfarre Laniše allein, bei einer Bevölkerung
von etwa 3600 Seelen ungefähr 15 000 Schafe, 2000 Rinder und 500 Maulthiere
gehalten werden. In Mune, Žejane und einigen anderen Ortschaften hat man wohl auch
Pferde statt der für den
Karst viel tauglicheren Maulthiere, doch ist es eine
eigene kleine, man möchte fast sagen degenerirte Rasse, die sich vom Maulthier nur
wenig unterscheidet. Auch das Rind ist von keiner besonders guten Sorte. Wie
könnten auch diese edleren Thiergattuugen hier gedeihen, wo es keine fetten
Triften, überhaupt keine richtigen Weideplätze gibt, und Pferd wie Rind mit dem
Futter sich begnügen müssen, mit dem sonst nur der Esel sich zufrieden gibt, mit
Stroh, Laub und Gras, oder wenn es hoch kommt, mit Heu, Kleien und Küchenabfällen.
Nur nebenbei mag hier noch erwähnt werden, dass die Weide wie die Jagd frei sind.
Die Tschitscherei untersteht drei Bezirksgerichten, die süd-westlichen Orte Brest,
Slum, Dane, Klenošjak, Terstenico, Raspo, Prapročje, Račjavas, Podgačje, Laniše, Bergodac
gehören zum Gerichtsbezirk Pinguente und politisch zur Bezirkshauptmannschaft
Capodistria. Die nördlichen Ortschaften: Jelovice, Skadanšina, Markovšina, Vodice,
Golac, Obrov, Poljane, Castelnuovo, Račice, Mune,
Žejane, Starada, Pasjak, Sapjane, Rupa,
Lipa, und einzelne nur in gewisser Hinsicht (4) noch hieher zu
zählende Orte: Berdo, Maloberce, Dolenje, Jelšane, Novakračina, Susak gehören zum
Gerichtsbezirk Castelnuovo, politisch zur Bezirkshauptmannschaft Volosca. Die
östlichen Ortschaften endlich: Lisac, Lazi, Klana, [5]
Skalnica, Bergud und Studene
unterstehen judiciell wie politisch den Behörden von Volosca.
Nachdem wir so das Gebiet der Tschitschen im allgemeinen kennen gelernt,
wollen
wir uns mit diesem merkwürdigen Völkchen selbst etwas näher bekannt machen,
müssen jedoch zunächst einigen irrigen Meinungen entgegentreten.
In W. Hoffmann's Encyklopädie der Erd- Völker- und Staatenkunde (Bd. III. S.
2654) ist zu lesen: "Tschitschen, ein rohes Volk in Oesterreich in Istrien,...
dessen Abstammung unbekannt ist... Ihre Sprache ist eine eigenthümliche... Ihren
Namen leitet man von dem walachischen Wort Ciccia, d. i. Vetter' ab."
Inwieweit die Tschitschen den Vorwurf der Rohheit verdienen, wird sich weiterhin
aus der Betrachtung ihres sittlichen Zu-standes ergeben. Was ihre Abstammung
betrifft, so möchten einige sie auf die Römer und Japoden, andere sogar auf die
Thracier und Celten zurückführen, unbekümmert darum, dass weder Typus noch Sprache
derlei Hypothesen unterstützen, nicht bedenkend, wie viele Herrscher das Land nur
seit den Tagen der Römer gewechselt, ja sogar über die Thatsache hinweggehend,
dass die heutige Tschitscherei vor dem 15. Jahrhundert fast gar nicht bewohnt
war. Was die Sprache anbelangt, so kann gleich hier bemerkt werden, dass in
Žejane
eine Abart des Rumunischen, in einigen nordwestlichen Orten ein verdorbenes
Slovenisch gesprochen wird, dass aber im allgemeinen die kroatische Sprache die
herrschende ist. Der Name endlich ist weder aus dem Rumunischen, noch — wie
einige behaupten — von den vielen Sibilanten in der Sprache der Tschitschen
herzuleiten, noch ist derselbe ein Schimpfwort, wie Dr.
Kandler meint; sondern er
dürfte wohl dem serbo-kroatischen Idiom entstammen, in welchem ein "Vetter"
mitunter auch čiko oder čiča genannt wird.
Bevor wir jedoch die Nationalität der Tschitschen, deren Gesammtzahl sich auf
ungefähr 10 000 Seelen belaufen dürfte, feststellen, wollen wir zunächst auf die
ältesten Zeiten zurückgreifen. Einer unserer berufensten Forscher Dr. Krones,
sagt in seiner Geschichte Oesterreichs Bd. L S. 210 u. A.: Die geschichtliche
Urbevölkerung Oesterreichs vor der grossen Wanderung zerfällt
[6] in fünf
Hauptgruppen. Im westlichen Alpenlande, Tirol sind Rhäten oder Rasener das
Hauptvolk, mit Ostkelten zusammenhängend und gemischt, welche ganz Noricum erfüllen
und südwärts an die Istrer und Veneter grenzen, die wir so gut wie die Japoden,
Liburner und Dalmaten mit grüsster Wahrscheinlichkeit dem illyrischen
Völkerkreise zuweisen müssen.
Franceschi führt in seinem Werke "l'Istria" (5) eine Reihe von
Ortsnamen an, welche er als celtischen Ursprungs bezeichnet andere findet er
thracisch-griechischen Ursprungs. Ohne uns in eine etymologische Untersuchung
über dieselben einzulassen, wollen wir nur noch erwähnen, dass nach Kron es die
Thracier die Küsten und Inseln besetzt gehabt hätten, die Celten dagegen das
Innere von Istrien.
Nach Livius (lib. XLI) hat die erste Invasion der Römer in Istrien
575 a. u. c.
stattgefunden; im darauffolgenden Jahr .d. L 177 v. Chr., soll der römische
Consul C. Claudius Pulcher das Land erobert und die Hauptorte Nesactium, Mutila
und Faveria zerstört, Aepulo aber, der letzte König der Istrianer, sich selbst den
Tod gegeben haben. (6)
Ein Aufstand, welchen 50 Jahre später die Istrianer, im Verein mit den Japoden,
gegen die römische Herrschaft versuchten, hatte nur die Folge, dass die genannten
Völkerschaften den letzten Rest von Freiheit verloren und vollständig der
römischen Gerichtsbarkeit unterworfen wurden. Nach der Meinung
Kandlers (7)
wären bei dieser Gelegenheit die Widerspenstigsten unter den Aufständischen in
Gefangenschaft abgeführt, und theils in der Gegend von Piacenza, wo die Stadt
Histriodunum entstand, theils in Corsica angesiedelt worden, wo noch jetzt eine
Landschaft den Namen Istrien trägt. Zur Aufrechthaltung der Ordnung seien
dagegen in das -wieder pacificirte Land 15 000 Latiner verlegt worden, welche
[7] unter Octavianus Augustus noch durch weitere Colonien vermehrt wurden.
Strabo führt zwar nur Tergeste und Pola als von Römern bewohnte Orte an aber
Plinius nennt ausser diesen noch Aegida, Parentium, Nesactium (das also aus dem
Schutt wieder erstanden sein musste), Albona und Flanona. Bei Ptolemaeus
vermissen wir wohl Aegida, finden aber neben den schon von Plinius angeführten
Städten noch: Pucinum (vielleicht nur ein Schreibfehler des Copisten statt:
Petinum oder Petina; also nicht das heutige Pisino, sondern Pedena) Piquentum,
Alvum und Tarsatica als von Römern bewohnte Orte verzeichnet.
Doch alle diese Orte haben mit der Tschitscherei unserer Tage nichts zu thun; es
waren entweder Küstenstädte oder sie gingen doch über das im Inneren gelegene
Pinguente nicht hinauf. Auch mit der Romanisirung scheint es nicht so schlimm
gewesen zu sein; wie hätte sonst noch Plinius (lib. III) der doch 200 Jahre nach
der Unterwerfung Istriens lebte, vier eingeborene Völkerschaften hier
unterscheiden können: Die Secusses (um das heutige
Pedena), die Subocrini
(zwischen dem jetzigen Pinguente und Terstenico), die Catali an der obern
Reka
(bis Mune und Bergud) endlich die Monocaleni (nördlich von
Triest). Die beiden
ersteren werden von
Franceschi für Celten, die letzteren für Thracier gehalten.
Doch in den 600 Jahren römischer Herrschaft mag endlich der Latinismus auch in
Istrien gesiegt haben, und die Einwohner könnten Vollblut-Romanen geworden sein?
Wir lesen aber bei Kron es (a. a. 0. Bd. II S. 63), dass Odoaker die römischen
Colonisten und Provinzialen aus Noricum nach Italien abführen liess; wesshalb in
Noricum durch die eindringende Slavenwelt die römische Zinsbauerschaft (romani
tributales) meist spurlos verschwand. Könnte nun in jenem Theil Istriens, welcher
nicht zu Italien gerechnet wurde, und zu welchem gerade die heutige Tschitscherei
gehört, nicht auch ein Gleiches geschehen sein?
Doch angenommen, dass die römischen Colonisten Istriens nicht das gleiche
Schicksal traf; angenommen ausserdem, dass im allgemeinen die Stürme der
Völkerwanderung Istrien nur wenig berührten, da es abseits von der Hauptstrasse
nach Italien lag; angenommen schliesslich, dass auch die Herrschaft der Ostgothen
[8] und Byzantiner, der Longobarden und Franken das bereits zu fest eingebürgerte
Römerthum nicht zu verdrängen vermochte: so muss doch zugestanden werden, dass
die anfang des 7. Jahrhunderts stattgefundenc Einwanderung der Slaven nicht ohne
bedeutenden Einfluss auf die Bevölkerung Istriens bleiben konnte; dass die
Invasion der Kroaten, in der ersten Hälfte des O.Jahrhunderts, diesen Einfluss nur
verstärkt haben dürfte; dass endlich durch die spätere Arerlegung so vieler
Colonien nach diesen Gegenden die letzten Spuren früherer Bevölkerung gänzlich
verwischt werden mussten.
Welche Elemente namentlich auf letztere Weise nach Istrien gekommen seien,
darüber gibt der genannte
Franceschi Aufschluss. Nach ihm hätte schon der
Istrianer Herzog Johann um das Jahr 800 n. Chr. Slaven in solcher Anzahl nach
Istrien verlegt, dass die Eingeborenen sich gedrängt fühlten, bei Karl dem Grossen
Klage darüber zu führen (8). Doch schon im 9. und neuerdings im
10. Jahrhundert drangen Schaaren von Kroaten und Narentanern ins Land, durch
welche wahrscheinlich die nach dem Anonymus von Ravenna im 8. Jahrhundert noch
bestandenen aber seither verschwundenen Städte,
Arsia,
Nesatium, Siparis und
Salvore zerstört wurden (9). Nach einer relativen Ruhe, deren
sich Istrien nun durch zwei Jahrhunderte erfreute, sollen in der zweiten Hälfte
des 13. Jahrhunderts neue Schwärme von Kroaten ins Land gekommen sein, vielleicht
herbeigerufen, um die durch Kriege und Seuchen entvölkerten Gegenden zu besetzen
(10). Derlei Colonisirungen haben sich auch später noch oft
als nothwendig herausgestellt, namentlich im 15. und 16. Jahrhundert, da durch
die wiederholten Ausbrüche der Pest manche Landstriche gänzlich verödeten
(11). Um
Ansiedler brauchte man nicht viel zu sorgen, denn die fortschreitenden
Eroberungen der Türken in Griechenland und Albanien, in Bosnien und in der
Herzegowina veranlassten viele Bewohner dieser Länder, ihre Heimath zu verlassen
und als Flüchtlinge bei den Nachbarn ein Asyl zu suchen.
[9] Nach dem Codice diplomatico istriano wären auf dem die heutige Tschitscherei
bildenden Boden besonders im Jahre 1490 viele aus Bosnien und Kroatien
geflüchtete Familien angesiedelt worden.
In welchem Grade diese Invasionen die ursprüngliche Bevölkerung Istriens
alteriren mussten, kann man leicht aus einem Verzeichniss der zwischen 1199 und
1657 eingedrungenen oder dahin verlegten Völkerschaften entnehmen, welches
Franceschi beibringt.
In welcher Anzahl aber die Slaven überhaupt in Istrien eingedrungen, darüber gibt
die statistisch festgestellte Thatsache Aufschluss, dass die heutige Bevölkerung
Istriens zu mehr als zwei Drittheilen aus Slaven besteht.
Nach all' dem Gesagten ist es begreiflich, dass Dr.
Kandler, der sich am
eifrigsten mit den Rassen und Sprachen in Istrien beschäftigt hat, sich doch
schliesslich gedrängt fühlt, zu erklären, die Forschungen seien noch nicht so weit
gediehen, dass man mit voller Sicherheit davon sprechen könne. Wir gehen weiter,
indem wir behaupten, dass es heutzutage unmöglich ist, für jeden einzelnen
Bewohner Istriens genau zu bestimmen, wie viel romanisches, wie viel slavisches,
wie viel germanisches Blut (als sich das Feudalsystem entwickelt hatte, waren
nämlich Deutsche die Vasallen der Markgrafen von Istrien) in seinen Adern rolle.
Denn dass vielfache Kreuzungen der in so kleinen Partikelchen unter und neben
einander wohnenden Völkerschaften stattgefunden haben müssen, ist gewiss keine
gewagte Annahme.
Doch wir haben ein Volk noch nicht erwähnt, das auch schon seit Jahrhunderten in
Istrien ansässig ist, und das wir erst hier eingehender besprechen wollen, wir
meinen die Rumunen oder Rumänen. Wann diese letzteren eingewandert sind, können
wir nicht genau angeben, werden aber kaum irren, wenn wir annehmen, wenigstens ein
Theil müsse mit den um das Jahr 1449 und 1490 aufgenommenen Morlachen und
Kroaten ins Land gekommen sein.
Miklosich sagt in seiner Abhandlung "Ueber die Wanderungen der Rumunen in den
dalmatinischen Alpen (12) und in den [10] Karpathen": Was nun den
Ursprung der istrischen Rumunen anlangt, so ist vor allem die Ansicht abzuweisen,
als ob sich dieses Volk in seiner jetzigen Heimath aus der Verschmelzung eines
einheimischen Elements mit römischen Colonisten gebildet habe, da seine Sprache
zu der der dacischen und macedonischen Rumunen in viel zu inniger
verwandtschaftlicher Beziehung steht, als dass diese Ansicht wahrscheinlich
gemacht werden könnte.
Wir übergehen die weiteren Ausführungen des gelehrten Forschers und erlauben uns
nur noch, die Resultate seiner Untersuchungen hier mitzutheilen; dieselben lassen
sich in folgende drei Hauptpunkte zusammenfassen:
- Die Rumunen Istriens
stammen aus der Urheimath der Rumunen, welche nicht an der unteren Donau sondern
im Süden derselben zu suchen ist. —
- Sie sind von einem Punkte der
Hämushalbinsel in serbisches Gebiet, und von da gegen Norden in von Kroaten
bewohnte Gegenden eingedrungen, nicht in grossen Massen, sondern als Wanderhirten
in kleinen Gruppen, daher ohne Aufsehen zu erregen, unbemerkt von den Chronisten.
—
- Wahrscheinlich hat diese Einwanderung schon vor 1400 stattgefunden, da die
Wanderungen der Rumunen im 14.
Jahrhundert bereits ihren
Abschluss fanden.
Wer nach all dem Gesagten noch Reste altrömischer Ansiedler unter den heutigen
Tschitschen vermuthet, der schreibt der altitalischen Rasse eine
Resistenzfähigkeit zu, welche ans Unglaubliche grenzt er läugnet nicht nur ein
natürliches Aussterben, sondern sieht auch von allen Wirkungen blutiger Kriege
und mörderischer Seuchen wie von dem Einfluss der Vermischung und Kreuzung mit
so vielerlei Eindringlingen gänzlich ab; ja er ver- ' schliesst geradezu Auge
und Ohr vor Thatsachen von zwingender Beweiskraft. Wir wollen damit nicht
läugnen, dass in den Rumunen ein gut Theil altrömischen Blutes fliesse, das steht
ja ausser aller Frage fest; nur das müssen wir auf das entschiedenste
zurückweisen, dass die istrischen Rumunen directe Abkömmlinge der römischen
Colonien in Istrien seien; nur das behaupten wir dass dieselben gleichen Stammes
sind mit den Walachen in Rumänien. Und was ist das für ein Volksstamm? Freiherr
Carl v. Czoernig gibt darauf Antwort, indem er sagt (13):
[11] Als die Ungarn (in ihrer jetzigen Heimath) anlangten, fanden sie in den heutigen
Siebenbürger Karpathen ein dacisch-römisch-gothisch-slavisch-bulgarisches
Mengvolk, welches die Slaven Wlachen nannten (14). Kurz vorher
macht derselbe die Bemerkung: "Rumunen nannten sie sich selber, ihrer zum Theil
römischen Abkunft gedenkend."
Wer endlich die istrischen Rumunen kennt und dem das entgegenhält, was Slavici (15)
über die körperlichen und geistigen Eigenthümlichkeiten der Rumänen im
allgemeinen sagt, dem muss die Familienähnlichkeit auffallen. Der zartere
Knochenbau, das scharfe Profil, die kleinen Augen, der lichtere Ton der Barthaare,
das hohe Organ, sowie die Geduld und Ausdauer, Vorsicht und Standhaftigkeit, welche
Slavici als charakteristische Merkmale der Rumänen bezeichnet, passen zumeist
auch auf die istrischen Rumunen. Doch vor allem ist es die Sprache, welche die
Verwandtschaft der einen mit den andern ausser allen Zweifel setzt. So viel
steht fest dass an der Richtigkeit des citirten Satzes: Die Rumunen Istriens
stammen aus der Urheimath der Rumunen wohl nicht gezweifelt werden kann. Dass
diese Urheimath das aurelianische Dacien das nachmalige Bulgarien gewesen sei,
dürfte schon aus der bedeutenden Anzahl bulgarischer Sprachelemente, welche das
Istro-Rumunische aufweist, zur Genüge erhellen (16).
Wenn man sich ferner erinnert dass die Byzantiner ein Gross-Blachien (das
thessalische Hochland), ein Weiss-Blachien [12] (zwischen der Donau und dem Balkan) und ein Schwarz-Blachien
(Mauro-Blachia=Morlachia, das albanesisch-dalmatinische Küstenland) unterschieden,
dass Franceschi nicht weniger als sieben Einwanderungen von Morlachen, nur
innerhalb der Jahre 1440 Iiis 1647, zählt: so kommt man wohl zu dem weiteren
Schluss, dass eben mit einem dieser Züge Walachen nach Istrien gekommen sein
müssen; ja ,was noch wahrscheinlicher ist, nicht mit einem Zuge in grosser Masse,
sondern zu verschiedenen Malen, wie erwähnt, in kleinern Partien, unbemerkt von den
Chronisten.
Das aber ist es gerade, was die Bestimmung des Zeitpunktes ihrer Colonisationen
so schwierig macht. Möglich, dass die meisten Rumunen, die wir heute in Istrien
finden, schon vor dem 15. Jahrhundert eingewandert sind; allein — bei aller
Achtung, die wir sonst für die Aussprüche des berühmten österreichischen
Slavisten haben — können wir ihm nicht unbedingt beipflichten, dass die
Wanderungen der Rumunen bereits im 14. Jahrhundert ihren Abschluss fanden;
wenigstens für Istrien nicht, und zwar aus folgenden Gründen.
Erstlich werden uns von den Chronisten verschiedene Volksstämme unter den
Einwanderern genannt, nur keine Rumunen; diese müssten also entweder in
unmerklich kleinen Partien mitgekommen, oder mit einem andern Namen,
wahrscheinlich als Morlachen bezeichnet worden sein. Ist aber kein ausreichender
Grund vorhanden, letztere Annahme direct zurückzuweisen, so wird man auch, da noch
im 17. Jahrhundert einer Einwanderung von Morlachen Erwähnung geschieht, zugeben
müssen, dass auch nach 1400 noch Rumunen nach Istrien gekommen sein könnten.
Da es ferner wahrscheinlich ist, dass die fruchtbareren Theile des Landes früher
besetzt worden sind, als die sterileren, so liegt auch der Schluss nahe, die
Karster Rumunen (in Žejane) die letzten gewesen sein dürften, welche
hereingekommen sind. Dies bestätigt zum Theil auch eine Stelle bei
Franceschi (17)
wo es (in deutscher Uebersetzung) heisst: Um sich der Flüchtlinge aus Bosnien
und Kroatien zu entledigen, suchten die beiderseitigen Regierungen (Oesterreichs
und Venedigs) dieselben in den entvölkerten Gegenden ihrer Dominien zu
unterbringen; auf diese Weise [13] kamen um das Jahr 1490 morlachische und kroatische
Familien auf den theils zu Oesterreich, theils zu Venedig gehörigen
Karst, sowie
in einige Dörfer des Territoriums von
Capodistria, wo die Bevölkerung durch
Epidemien und die Einfälle der Türken besonders vermindert worden war. Den
Anachronismus, den Franceschi gleich darauf begeht, muss man ihm freilich zugute
halten. Er setzt nämlich hinzu: "Diese Morlachen und Kroaten waren Viehzüchter
und wurden, nachdem sie sich mit den eingeborenen Karstnern römischer Rasse
vermischt hatten, welch letztere sich nach dem Zeugniss des Geschichtschreibers
Frà Irene o noch um das Jahr 1700 unter einander den Namen Rumeri beilegten, von
den Triestinern Tschitschen genannt."
Nun sagt wohl der genannte Frà
Ireneo, (18) der auch von
rumunischen Ansiedlern in Občina, Trebič, Padrič
(also in unmittelbarer Nähe von Triest) spricht: "Ausser der slavischen Sprache,
die auf dem ganzen
Karst vorherrscht, bedienen sich die Tschitschen noch eines
besonderen, eigentümlichen Idioms, ähnlich dem Walachischen untermischt mit
mancherlei lateinischen Wörtern und Redensarten." Allein aus dieser 200 Jahre
späteren Aeusserung lässt sich noch nicht der Schluss ziehen, die neuen
Eindringlinge müssten auf dem
Karst eine Bevölkerung romanischer Rasse
vorgefunden haben, deren Sprache sie im Laufe der Zeit annahmen.
Genauer drückt sich ein älterer Gewährsmann, der Pfarrer von
Pinguente aus, der in
einem vom Jahre 1650 datirten Bericht an den Bischof Tomasini schreibt: "Die
Morlachen die auf dem
Karst wohnen, haben eine eigene Sprache, welche in vielen
Wörtern der lateinischen ähnelt." — Aber der noch heute unter dem Namen
"Morlachen" im nordöstlichen Theile Dalmatiens lebende Volksstamm spricht ja
durchweg slavisch. Das ist nicht zu läugnen, bilden doch auf der Balkanhalbinsel
die Slaven die Hauptmasse der Bevölkerung; das schliesst aber noch nicht aus,
dass, namentlich in früherer Zeit, einzelne versprengte, bald grössere, bald
kleinere Enclaven rumunischen Stammes da und dort gelebt haben konnten, die in
der Folge theils entnationalisirt, theils ausgeschieden wurden.
[14] Ein solcher ausgeschiedener (19), aber noch nicht ganz
entnatio-nalisirter fremder Bestandtheil sind auch die heutigen Rumu neu
Istriens. Sie bewohnen im Norden des Cepicher Sees die Orte: Jesenovica, Villanova,
Sušnjevica, Berdo, Grobnico, Letaj, Gradinje und Posert; in Topliaco, Cherbune, Pedena,
und Scopliaco sind sie mit Kroaten vermischt und, wie die im Arsa-Thal und auf
der albanesischen Halbinsel wohnenden, schon fast ganz slavisirt; -eine
vereinzelte Enclave bildet das mitten im Tschitschenlande liegende Zejane. Ihre
Anzahl ist entschieden im Schwinden begriffen, d. h. sie gehen, wenn auch langsam,
doch sicher ihrer Umwandlung in Slaven entgegen. Die Rumunen, über die Kanitz
sagt, dass sie mit Begier slavisches Blut in sich aufnehmen: sie die nach dem
Zeugniss älterer Schriftsteller einst von
Triest bis
Fiume, und herunter bis an
die Punta negra gewohnt haben sollen; sie, deren Anzahl einige noch vor kurzem
auf viele Tausende angaben, — sie zählen in Istrien heute kaum 3000 Seelen, und
-es werden vielleicht keine hundert Jahre verfliessen, bis die letzte Spur von
ihnen verwischt sein wird (20). Es vollzieht sich eben ein
natürlicher Process; die Minorität geht in der Majorität auf. Da, wo die Rumänen
sich in grösserer Anzahl niedergelasssen, wie am Cepicher See, halten sie sich
selbstverständlich am besten und werden sich am längsten halten; die Enclave
Žejane im Tschitschenlande zählt deren nur noch etwa 500; im benachbarten Mune
sind nur noch wenige des Rumunischen mächtig; für den übrigen
[15]
Karst kann die
obige Aeusserung Frà Ireneo's nach dem bisherigen nicht einmal den Werth" einer
Sage beanspruchen. Die Walachen kamen doch, nach dem Zeugniss Aller, als Hirten
ins Land; sie können also auf dem unwirthlichen
Karst nur sporadisch aufgetreten
sein, und dass sie namentlich in der Umgebung von
Triest gerade keine
willkommenen Gäste waren, beweisen schon die gegen sie gerichteten hohen Erlässe
von 1490 und 1513 (21).
Uebrigens sind auch die anderen Bewohner des Tschitschenbodens nicht alle
gleicher Herkunft. Die in einigen nördlicheren Ortschaften wohnenden "Berkinen"
sind slovenischen Stammes wie die in westlichen Orten vorkommenden "Savriner".
Die "Castuaner" in und um Gross- und Klein-Bergud sind
ein Mischvolk; in den
östlichen Ortschaften Lipa, Klana, Studena, sowie in den südlichen Bergodac, Laniše
und im Inneren wohnen fast ausnahmslos Serbo-Kroaten; die aber wieder in zwei
Kategorien zerfallen die üakavci und die Štokavci je nachdem sie mitča? oder mit
što? (was?) fragen. Jene nehmen die nordöstlichen Theile, diese die südwestlichen
ein. Den schönsten serbo-kroatischen Dialect sprechen die Bewohner von
Terstenico und Bergodac.
So verschieden nun die heutigen Tschitschen ihrer Herkunft nach sind, ebenso
verschieden ist auch ihre Constitution, ihre Physiognomie, ihr Charakter; obschon
sie, mit Hinweis auf die sie umgebende Natur, die Worte Ovid's allgemein auf sich
anwenden können:
Inde genus durum sumus experiensque laborum.
Die Kroaten, die nach dem oben gesagten die Hauptbevölkerung der Tschitscherei
ausmachen, sind meist kleine, aber gedrungene und ungemein ausdauernde Gestalten.
Grösser sind im Durchschnitt die Slovenen, die aberdesshalb nicht weniger fest
und widerstandsfähig sind. Die schlanksten, aber auch zartesten sind die Rumunen,
die von einem gewissen Grad von Verweichlichung nicht losgesprochen werden
können. Dagegen haben letztere meist sehr ausdrucksvolle Physiognomien ein
scharfes, mitunter an die alten Römer erinnerndes Profil, ein lebhaftes, nicht
selten verschmitzt blickendes Auge. Weniger prägnant
[16] erscheinen schon die Mienen
der Slovenen, die bei einer unauffälligen Regelmässigkeit eine eigentbümliche
Ruhe, um nicht zu sagen Apathie zur Schau tragen. Die nichtssagendsten
Physiognomien aber findet man im allgemeinen wohl bei den Kroaten, deren
Gesichter, meist breit und platt, mit anscheinend gequetschter Nase, zwischen zwei,
gewöhnlich kleinen, ausdruckslosen Augen, keinen eben angenehmen Eindruck machen.
Nur ein Zug von Melancholie, den man namentlich in den Mienen mancher
Tschitschinnen antrifft, vermag noch einiges Interesse einzuflössen; doch sind
unter den letztern, die ja nur des Lebens Last und Mühen kennen, da sie kaum mehr
als die Sklavinnen der Männer sind, sogenannte Schönheiten selten. Wo aber unter
den jüngeren Mädchen, — die altern verblühen sehr bald — eine solche vorkommt, da
lässt sich das liebe Bild mit dem traurigsanften Gesicht und dem rührend
schlichten Kleid nicht so bald vergessen.
Was den Charakter betrifft, muss der des Kroaten entschieden als der gutmüthigste
bezeichnet werden; weniger gilt dies vom Slovenen, der indessen offener und
ehrlicher ist, am allerwenigsten aber von dem Rumunen, der für Aufrichtigkeit in
seiner Sprache gar kein Wort hat. Obschon die Rumunen die beiden anderen
Volksstämme an geistigen Fähigkeiten übertreffen, ohne jedoch an Bildung hoher zu
stehen, kommen schwerere Vergehen bei ihnen doch viel häufiger vor als bei den
Slaven, die ausserdem im ganzen viel religiöser sind als die Rumunen. Der
Slovene kann als fleissig, der Kroate als arbeitsam, der Rumune höchstens als
betriebsam bezeichnet werden.
Wer übrigens je einen Einblick in die Armuth dieser Leute gethan; wer da gesehen,
wie schwer von diesen Steinen Brod gewonnen wird; wer sich überzeugt ha,t wie
viele Meilen weit der arme Tschitsche die wenigen Handelsartikel seines Landes
zu schleppen hat um wenigstens das Geld für die Steuern aufzubringen; wer dazu
noch weiss, dass für die intellectuelle Ausbildung der Tschitschen soviel wie gar
nicht gesorgt ist, indem nur dort, wo dem Pfarrer ein Cooperator zur Seite steht (22),
eine Nothschule [17] unterhalten wird; der geht mit diesem, gleichsam von Gott und den
Menschen vergessenen Völkchen nicht zu streng ins Gericht; kämpft es doch um ein
Dasein, um welches kaum jemand es beneiden kann, — einen Kampf, der zum Erfolg in
gar keinem Verhältniss steht.
Da der Pflug den Tschitschen nicht zu ernähren vermag, so sucht er in der
Viehzucht die Mittel zu seiner Subsistenz; allein da geräth er alle Augenblicke
in Collision mit dem Forstgesetz, was auch geschieht, wenn er durch Kohlenbrennen
oder Fassdauben-Fabrikation einen Erwerb anstrebt. Kann er endlich doch einige
Säcke Kohlen oder ein hundert Stück Fassdauben seinem mageren Saumthiere
aufladen, dann passt schon der Zwischenhändler darauf oder es prellt ihn der
Wucherer in der Stadt; nicht selten ist er durch widrige Umstände gezwungen, die
sauer erworbene Waare zu verschleudern, um nur nicht mit derselben unverrichteter
Dinge wieder den weiten Weg zurück machen zu müssen. "Trauriger", sagt ein Kenner
des Volkes, "ist noch das Loos der Tschitschinn. Nicht selten wird sie von ihrer
Mutter auf der Wanderung nach Triest zur Welt gebracht, oder im Walde während der
Arbeit. Kaum vermag sie eine Last zu heben, so muss sie, dem Saumthier gleich, eine
Bürde, für die ihre Kräfte kaum ausreichen, nach der Stadt tragen: mit ihrer Last
steigt sie die steilsten Felsen hinauf und herab und strickt dabei noch
Strümpfe. Sie bittet die Vorübergehenden um Almosen; sie würde es nicht thun
wenn sie ihre Last, wenn auch um einen Spottpreis, verwerthen könnte; aber die
Aufkäufer wissen, dass sie ihre schwere Waäre nicht zurücktragen kann, und
verstehen es, sie ihr abzupressen. Sie bittet um Almosen, um mit etwas Geld
heimzukehren oder unter einem Obdach die Nacht zuzubringen, wenn sie ihre Waare
nicht anbringen kann. Gelingt ihr dies nicht, so schliesst sie sich dem ins
Gebirge zurückkehrenden Trupp der Ihrigen an, und uneingedenk der Vergangenheit,
unbekümmert um die Zukunft, singt sie im Chor ihrer Begleiter schwermüthige
[18] Lieder; sie ist niemals fröhlich, lächelt nie, und apathisch
kehrt sie zur mühevollen Arbeit, zu den gewohnten Beschwerden zurück".
Wer kann es ihr da wohl verdenken, wenn auch sie mitunter der weiblichsten aller
Leidenschaften, der Eitelkeit fröhnt und manchen schwer erworbenen Kreuzer
leichten Sinnes um Flitter hingibt. Wie einfach und wenig kleidsam auch sonst
ihr Anzug ist, an Festtagen erscheinen die Weiber, besonders die Kroatinnen, in
reichgestickten Jacken. — Und wer mag es dem Manne verargen, der so wenig
Freuden- und so viele Fasttage hat, wenn derselbe sich von Jugend auf mit wahrer
Leidenschaft der wohlfeilsten Berauschung dem Tabakrauchen, hingibt. —
Naturfehler kommen bei den Rumunen selten, bei den Slovenen und Kroaten fast gar
nicht vor; Cretins sind geradezu unerhört. Nur da und dort trifft man noch einen
alten Tschitschen, dem ein paar Finger an der Hand fehlen; es sind meist
Selbstverstümmelungen aus jener Zeit, als noch der Militärdienst vierzehn Jahre
dauerte. Es war nur Anhänglichkeit an ihre heimathlichen Klippen, welche die
Leute dazu antrieb, sich auf diese schreckliche Art militärfrei zu machen, denn
der Tschitsche ist weder feig noch sonst dienstesuntauglich. Dies zeigt sich
besonders jetzt, wo die Präsenzzeit nur eine kurze ist, der Tschitsche also keinen
rechten Grund mehr hat sich der Stellung zu entziehen, in auffälliger Weise.
Unter der strammen militärischen Disciplin entwickeln sich all die guten Keime,
die in diesem Völkchen unbeachtet schlummern: Intelligenz und Energie,
Anstelligkeit und Pflichte treue. Die Folge davon ist, dass diese Leute, die ohne
die geringste Vorbildung unter die Fahne treten, meist als Chargen wieder
heimkehren.
Als treu und verlässlich erweist sich der Tschitsche, wenn er sich zu etwas
verpflichtet hat; er bricht ein gegebenes Wort selbst dem Feinde nicht. Freilich
gibt er ein solches niemals unüberlegt, denn er ist eben so vorsichtig als
schlau. Der Kroate sagt: "Ein Mensch ohne Glauben verdient keinen Glauben: und
der Rumune: "Furcht ist die beste Wache".
In der Genügsamkeit gleicht der Tschitsche dem Beduinen; seiner Mahlzeiten gibt
es nur wenige und auch diese wenigen sind dürftig; die Natur seines Landes hat
ihn daran gewöhnt. Hirsebrei und Gemüse bilden neben Maisbrod die Hauptnahrung;
nur [19] zu den Festtagen wird da und dort ein Hammel geschlachtet. In der Geduld und
Standhaftigkeit aber übertrifft der Tschitsche fast den Felsen, auf dem er lebt;
obschon nicht von jenem athletischen Körperbau, der den nahverwandten Bewohner
der Dalmatiner Berge auszeichnet, ist er doch kaum weniger ausdauernd, sicher aber
ebenso beharrlich. Einerseits tröstet er sich, indem er sagt: "Von gemeiner Kost
kriegt man kein Leibschneiden;" andererseits meint er: "Wer wartet, der erwartet"
und: "Was gut werden soll, ist nicht leicht".
Sein kaum zu erschüttender Gleichmuth spricht sich in den Worten aus: "Es ist
nicht alle Tage Weihnacht" und: "Was die Krähe ausheckt, kann kein Falke werden".
Seine richtige Lebensanschauung bekunden unter andern die Sprichwörter: "Es kann
nicht der Wolf satt und die Heerde vollzählig sein". — "Die Federn machen den
Falken fliegen, nicht das Fleisch". — "Die Mutter des Helden muss die erste
weinen".
Dass es bei einem so ungebildeten Volke, wie es die Tschitschen sind, nicht an
Aberglauben fehlt, kann nicht wundernehmen. Der Glaube an Hexen und ihr
menschenfeindliches Treiben an die Trud, an Geistererscheinungen, an den bösen
Blick und seine verderblichen Wirkungen ist unter ihnen allgemein verbreitet;
einer ihrer kräftigsten Flüche ist der, wenn sie einem die Trud auf den Leib
wünschen. Im ganzen jedoch wird hier wenig geflucht, insbesondere sind jene
sacrilegischen Flüche, von denen der gemeine Romane stets ein ganzes Arsenal
bereit hält hier gänzlich unbekannt; sie würden auch weder zum Charakter noch
zum Temperament des Tschitschen gut passen; denn jener ist im allgemeinen ein
gutmüthiger, dieses eine Mischung von Sanguinismus und Melancholie. Es soll
damit nicht gesagt sein, dass beim Tschitschen sich nie die Galle rühre, braucht
es doch beim Rumunen, im Vergleich zum Kroaten, nicht viel dazu; allein wenn er
auch oft mit einem: "Dass dich der Blitz erschlage!" dreinfährt, so macht sich
sein augenblicklicher Aerger noch viel häufiger in einem Schimpfwort Luft, das
dem Betroffenen dann nicht selten als Beiname bleibt. Die auf diese Weise
entstandenen oder auch aus anderer Veranlassung beigelegten Vulgärnamen erweisen
sich bei dem Umstand, dass in mancher Ortschaft von -400 bis 500 Einwohnern sich
kaum mehr als ein Dutzend Schreibnamen [20]
vorfinden, als sehr brauchbar, um die
einzelnen Individuen doch einigermassen unterscheiden zu können.
Das mehr melancholische Wesen des Tschitschen gibt sich auch in seinen Liedern
kund, die er, nach Art der meisten Siid-slaven stets in Moll singt. Das
Eigentümliche dieser Weisen ist, dass bei allen ein Grundton gleichsam die
Leitlinie bildet, von welchem aus sich die Melodie durchaus entweder in die Höhe
oder in die Tiefe verschnörkelt, und zu welchem sie beständig wieder zurückkehrt.
Der Hauptgegenstand dieser Lieder aber ist "Kralj Matjaš," König Mathias
(Corvinus Hunyady), auf den nebenbei gesagt, auch Thaten seines Vaters Vojvode
Janko (Johann Hunyady) übertragen werden, und "Marko Kraljevič, Prinz Markus, ein
Sohn des in der Schlacht am Tänarus (1371) gegen Murad I. gebliebenen Königs Vukašin (23). Das so tief gesunkene Volk sonnt sich
begreiflicherweise gern im Glänze der einstigen Tage, da noch seine
Zusammengehörigkeit mit andern Slavenstämmen nicht nur durch die Sprache
bezeichnet war, sondern auch durch den Scepter gewahrt wurde, wie z. B. unter
Stepan Dušan, der sowohl über Serbien als auch über Bulgarien und Macedonien
gebot.
Der Nationaltanz des Tschitschen ist der kroatische Kolo, wobei nur zu bemerken
ist, dass derselbe hier nicht ausschliesslich mit dem Dudelsack, sondern
gewöhnlich mit anderen Instrumenten begleitet wird, was auf die Bekanntschaft mit
wohlorga-nisirten Musikbanden, namentlich denen des k. k. Militärs, zurückzuführen
sein dürfte.
Wer diesen Tanz kennt weiss auch wie wenig er geeignet ist Lungenkrankheiten zu
erzeugen oder zu fördern; doch sind diese nicht so selten als man glauben
könnte. Die Ursache derselben ist also theils in den rauhen Winden die das Land
durchfegen theils in den Anstrengungen die zum Theil durch das Terrain bedingt
sind und in der wenig zweckmässigen Kleidung die eine Ueberhitzung leicht
möglich macht zu suchen. Letzteres [21]
in Verbindung mit der mangelhaften Nahrung
möchte auch als der Grund der vielen Fieber und Dissenterien anzusehen sein die
das Volk im Sommer nicht selten heimsuchen. Und da für ärztlichen Rath hier
nicht besser gesorgt ist als für Schulunterricht so ist nicht zu verwundern wenn
mancher nur aus Mangel an Hilfe oder durch Curpfuscherei ruinirt in ein frühes
Grab sinkt. Im ganzen ist freilich die Natur des Tschitschen eben nicht sehr
zart; doch sind wohl aus den angedeuteten Gründen Fälle von hohem Alter sehr
selten.
Der Škrat ein Teufelswicht der in den Schlünden des
Karst lebt könnte wohl über
manches hinaushelfen; allein er wird zu häufig durch die bald zufällig in den
Abgrund rollenden bald muth-willig hinunter geschleuderten Steine aus seiner
friedlichen Stimmung gebracht: Er mag sich nur noch selten jemand wohlwollend
erweisen. — Auch die Vile, eine Art Feen, scheinen die Gegend für immer verlassen
zu haben; eine bei den istrischen Slaven gangbare, von J. Benigar im Glasnik (v.
J. 1866) mitgetheilte Sage erzählt noch folgendes von ihnen. "Ein Hirtenknabe
weidete einst nicht weit vom Meeresstrande, eine kleine Heerde, bestehend aus ein
paar Kühen, einigen Schafen und Ziegen. Es war um die Mittagszeit und sehr heiss.
Wie er nun so dahinscblenderte und nach einem schattigen Plätzchen auslugte,
erblickte er plötzlich drei Mädchen, die auf einem Rasenfleck dahingestreckt
lagen und fest zu schlafen schienen. Sie waren unbeschreiblich schön, aber
einander so ähnlich, dass man sie nicht hätte unterscheiden, noch sagen können,
welche von ihnen die schönste sei. Ihre Wangen glühten im heissen Sonnenstrahl
und ihr lichtes Haar schimmerte wie lauteres Gold. Der Knabe meinte, die Mädchen
werden einen weiten Weg gemacht haben, die Mittagsgluth habe sie übermannt, sie
hätten nur ein wenig ausruhen wollen und seien darüber eingeschlafen. Nun könnte
die Sonne ihre schönen Gesichter braun brennen; es wäre doch schade darum, er
müsse sie schützen. So sprang er denn die Anhöhe hinan wo er einen schattigen
Baum gewahrte; brach einige der dichtesten Äste und Zweige von demselben, trug
sie zu dem Orte, wo noch immer die Mädchen lagen; baute aus dem mitgebrachten
Reisig ein Laubdach über denselben, so dass die Sonne ihnen nicht mehr schaden
konnte, und entfernte sich. Da erhoben sich die Mädchen, die gar nicht geschlafen,
[22]
sondern alles beobachtet hatten — denn es waren Vilen und die schlafen nie —;
sie priesen den kühlenden Schatten und fragten einander verwundert, wer solche
Barmherzigkeit an ihnen geübt habe. Das fragten sie jedoch nur, weil sie erproben
wollten, ob der Knabe sich melden werde. Allein dieser, der noch nicht weit
gegangen war und auf ihre Worte sich wieder umwandte, ersohrack so sehr über den
himmlischen Anblick ihrer leuchtenden Gestalten, dass er die Flucht ergriff. Da
standen sie plötzlich um ihn herum und veitraten ihm den Weg. Freundlich fragte
ihn die eine womit sie ihm seinen Liebesdienst vergelten könnten, ob er sich ein
schönes Schloss mit Wald und Feldern wünsche. Der Knabe, der sich durch das
freundliche Wesen der Vilen nach und nach von seinem ersten Schrecken erholt
hatte, verstand die Frage kaum, denn noch nie hatte er ein Schloss gesehen. Da
fragte ihn die zweite, ob er sich einen Schatz wünsche der nicht zu erschöpfen
sei. Wieder schüttelte der Knabe mit dem Kopf, denn er kannte kaum den Werth des
Geldes; er hatte ja nichts als seine kleine Heerde, diese aber gieng ihm über
alles. Da sagte die dritte: Heute Abend wenn Du Deine Thiere heimtreibst, wirst
Du hinter Dir vom Meere her ein Geklingel und Geläute hören, doch sieh Dich nicht
um, bis Du nach Hause kommst. Damit verschwanden die Vilen und der Knabe sah nun,
dass es keine irdischen Mädchen waren, die er vor der Sonnengluth schützen
wollte. Ganz in Gedanken versunken über das was ihm begegnet, merkte er kaum, dass
die Sonne tiefer und tiefer sank und die Schatten sich allgemach über die Thäler
breiteten. Endlich raffte er sich doch auf aus seinem träumenden Sinnen, suchte
seine Thiere zusammen und begann sie nach Hause zu treiben. Aber da fieng es
hinter ihm an zu klingen und zu läuten, zuerst nur einzeln und leise, doch je
näher er seiner Hütte kam, desto lauter und mannigfaltiger. Neugierig wer so viel
Vieh hinter ihm hertreibe, wandte sich der Knabe um — er hatte schon längst die
Mahnung der Hulden vergessen, — da sah er eine grosse Schaar Kühe, Schafe und
Ziegen aus dem Meere steigen und ihm folgen. Allein seit er sich umgesehen, stieg
kein Thier mehr empor nur die, welche schon hervorgekommen waren, blieben ihm.
Doch er hatte ja auch an diesen schon genug, es waren ihrer [23] mehr als er
unterzubringen vermochte, so dass er noch andere arme Hirten damit beschenken
konnte."
Den Ursprung von des Bauern Weh und Ungemach erklärt eine andere Sage, die wir in
einem Programmaufsatz bereits 1873 mitgetheilt haben, und die auch aus R.
Baumbach's Zlatorog (S. 26) allgemein bekannt sein dürfte.
Ein rumunisches Märchen "von drei Brüdern" (Tréi frats) theilt Miklosich in
der erwähnten Abhandlung "Rumunische Untersuchungen" mit, wesshalb wir uns mit
der Beziehung auf diese hier begnügen.
Das Familienleben ist nicht in allen Theilen der Tschitscherei das gleiche.
Während in Mune, Sejane und zum Theil auch in
Castelnuovo die ehelichen Bande
meist sehr locker sind, spricht z. B. in Laniše der Bauer
zu seinen Kindern: "Unsere Mutter hat es gesagt" und das Weib: "Unser Vater hat
es befohlen". Demgemäss ist auch bei den meisten Kroaten die Stellung des
Weibes eine ehrenhaftere als bei den Tschitschen anderen Stammes, und desshalb
auch die Erziehung der Kinder weit besser, das ganze Verhalten viel moralischer.
Wohl muss auch hier das Weib sich mit dem Manne in die schwere Arbeit theilen,
doch wird ihr in der Regel der kleinere Theil zugewiesen, und auch diese Bürde
noch durch den Gedanken erleichtert, dass ihr Mann treu zu ihr hält die Kinder
ihr willig beistehen.
Wie unrecht man thut, wenn man aus der Ruchlosigkeit einzelner Individuen auf die
Verworfenheit des ganzen Volkes schliesst, kann man zum Theil auch aus einigen
Sitten und Gebräuchen ersehen, die gerade den Beweis liefern, dass sein Kern
nichts weniger als schlecht ist. Hievon gibt unter anderm eine Formalität
Zeugniss, welche bei Eheschliessungen, namentlich in den südlichen Orten, allgemein
üblich ist und welche wir hier, mit Weglassung alles übrigen, meist bekannten
Beiwerks, mittheilen wollen. Wenn alles Geschäftliche geordnet und alle auf die
Hochzeit bezüglichen Anordnungen getroffen sind Pistolenschüsse den Anbruch des
Hochzeitstages verkündet haben, so verfügt sich der Bräutigam zunächst in das
Haus seiner Braut, wo er zwar freundlich, aber doch mit einem weihevollen Ernst,
mit einer gewissen Zurückhaltung empfangen wird. Nachdem er hier nochmals die
Aufrichtigkeit seiner Werbung betheuert, die Verheirathung als [24]
einen
Herzenswunsch bezeichnet, um sich eine treue Lebensgefährtin, seinem Hause eine
sorgsame Walterin, seinen Eltern eine liebende Tochter zu gewinnen, wird ein Tuch
über den Boden gebreitet und den beiden Brautleuten bedeutet, auf dasselbe
niederzuknien. Nun stellt sieh der Vater oder der nächste Verwandte der Braut
vor die beiden und hält an sie eine Ansprache, die bei aller Schlichtheit des
Ausdrucks durch die Kraft ihres Inhalts und die Wärme ihres Tons die Anwesenden
nicht selten zu Thränen rührt. Er stellt ihnen den Ernst des Schritts vor den
sie eben thun wollen; da es ein Bund fürs Leben ist, müssten sie nun trachten mit
einander auszukommen: jedes müsste von seiner Eigenart dem andern so viel opfern,
dass sie in Frieden miteinander leben könnten, was die erste Bedingung ehelichen
Glücks sei. Er erinnert sie an die Grösse und Wichtigkeit der Pflichten, die sie
zu übernehmen im Begriff seien: dass von nun an jedes nicht mehr für sich allein,
sondern auch für das andere werde zu sorgen haben; dass sie, da es so schwer sei,
von diesen Steinen Brod zu gewinnen, bedacht sein müssten, einander in allem Thun
zu unterstützen, in allen Widerwärtigkeiten zu trösten. Er mahnt sie schliesslich,
stets Gott vor Augen zu haben, und auch ihre Kinder, wenn ihnen solche beschieden,
zur Frömmigkeit und zum Fleiss anzuhalten u. s. f. — Nach diesen und ähnlichen
Worten segnet und küsst er beide, und nun erst wird der Gang zur Kirche
angetreten. Bei dem geringen Bildungsgrad dieses Völkchens muss dieser Gebrauch
nicht nur in hohem Grade Wunder nehmen, sondern er scheint auch ganz dazu
angethan, so manches üble Vorurtheil gegen dasselbe, wenn nicht zu zerstören, so
doch abzuschwächen.
Für den religiösen Sinn der Mehrheit dürfte auch der Umstand sprechen, dass die
kirchlichen Feste eifrig begangen, besonders aber die alljährlichen Kirchweihen
hoch gefeiert werden. Nie mag der Tschitsche in seinem Werktagskleide die Kirche
betreten; immer zieht er für solche Fälle sein bestes Kleid an; die Weiber
erscheinen da oft in einem Staat, den man in diesen armen Gegenden nicht einmal
vermuthen würde. Bei Begräbnissen herrscht noch die Sitte, Leute, besonders aus
der Verwandtschaft des Verstorbenen, zu bestellen, welche während des Leichenzuges
[25] Wehklagen anstimmen, die sich auf dem Friedhof zu einem weithin vernehmbaren
Jammergeschrei steigern.
Wie sonst in manchen andern Gegenden noch der Gebrauch besteht, dass am Feste der
"unschuldigen Kinder" (28. December) die Kinder ärmerer, und vielleicht weniger
verschämter Eltern umherziehen und mit einer Ruthe in der Hand sich von dem und
jenem ein Geschenk zu erzwingen suchen, so herrscht hier der Gebrauch, dass am
Stephanitage (26. December) ärmere, doch schon erwachsene Bursche in
geschlossenen Schaaren als Bettelsänger von Haus zu Haus ziehen, um Gaben
einzusammeln. Vor jedem Hause bleiben sie stehen und stimmen eine den
Verhältnissen der Inwohner angemessene Strophe an, in welcher die Art und Grösse
der Gabe genau bezeichnet wird, hier in Geld, da in irgend einem Nahrungsmittel,
dort in einem Kleidungsstück bestehend. Der Humor dieser Apostrophen ist
unübersetzbar, wesshalb wir hier von einer Wiedergabe, auch nur einiger derselben,
absehen müssen; doch das können wir bemerken, dass die Sänger an den meisten
Orten das Gewünschte erhalten.
Nichts aber ist so charakteristisch und macht den Tschitschen schon äusserlich
so sehr kenntlich als seine Tracht. Alles was derselbe am Leibe hat, mit Ausnahme
des zumeist aus Frame bezogenen Filzhuts, ist ein Product der Hausindustrie;
dabei ist der ganze Anzug ein Gemisch von allerlei, hauptsächlich andern
Slavenstämmen entnommenen Kleidungsformen, welch letzterer Umstand als ein
weiterer Beweis für die slavische Abstammung der meisten Tschitschen gelten
könnte. Die Wäsche ist aus Hanf, alles andere aus Wollstoff. Die Männer tragen
enganliegende Beinkleider aus weissem Lodentuch, welche von den Knien bis an die
Knöchel geschlitzt und mit metallenen Hefthaken geschlossen sind; da sie
durchaus fest anliegen, so sind nicht nur Hosenträger sondern auch Riemen
überflüssig. Die Weste ist aus weissem oder braunem, die bis über die Hüfte
gehende Jacke immer aus braunem Loden. Die Fussbekleidung besteht aus kurzen,
weisswollenen Socken und aus Opanken, je einem Stück rohgegerbten Leders, das nach
Art der Bundschuhe mit rothgefärbten Riemen festgebunden wird. Der schwarze
Filzhut ist eher schmal- als breitkrämpig. Das ist die Kleidung des Tschitschen,
Sommer und Winter und nicht selten Tag und Nacht [26] hindurch; nur den Hut legt er
in der Nacht, die Jacke im Sommer zuweilen ab, und nur bei festlichen
Gelegenheiten wechselt er seinen Anzug; dann aber schmückt seinen Hut ein
rotlies oder grünes Band.
Wie ein Akt der Gleichberechtigung muthet es den Fremden an, wenn er sieht dass
auch das Tschitschenweib als Kopfbedeckung kein heimisches Product trägt. Ein
hoch rothgeblümtes Baumwolltuch nämlich ist es, in das die Tschitschinn ihren
Kopf in der Weise hüllt, dass nicht nur Scheitel und Hinterhaupt, sondern auch die
Ohren davon bedeckt sind, während sie die beiden Enden desselben entweder unter
dem Kinn oder im Nacken zu einem Knoten zusammenschlingt; nur die Walachinnen in
Zejane legen das Tuch der Länge nach schmal zusammen und wickeln es dann
turbanartig um das Haupt. Auch des Tschitschenweibes Wäsche ist grobes
Hanfgewebe; darüber trägt sie einen bis unter das Kinn reichenden, vorn offenen,
ärmellosen Rock aus braunem Lodentuch, welcher über der Hüfte mittels eines
ledernen Riemens an den Leib geschnürt ist. Im Winter trägt sie einen zweiten,
nur ein paar Centimeter kürzeren Rock mit Aermeln, aus gleichem Lodenstoff. Das
Unterbein ist bis über das Knie mit grobwollenen, weissen Strümpfen bekleidet;
der Fuss selbst steckt, wie beim Manne, in Opanken.
Diese Art, den Fuss zu bekleiden, ist entschieden den Gebirgsbewohnern der
griechisch-türkischen Halbinsel entlehnt. Der lange Rock aber, wie ihn noch heute
die Tschitschenweiber tragen, ist altslavische Tracht; noch zu Valvasors Zeiten
war derselbe fast bei allen Krainer Bauern in Gebrauch. Der lange Pelz (Kožuh),
den diese noch jetzt im Winter zu tragen pflegen, ist nur eine durch das rauhere
Klima bedingte Abart desselben.
Die Wohnungen der Tschitschen sind ärmlich und nur für die notwendigsten
Bedürfnisse der Familie und ihres Viehs eingerichtet; doch machen dieselben, da
sie durchweg aus Stein gebaut und mit Holzbrettern oder Brettchen eingedacht
sind, von der Ferne keinen so Übeln Eindruck. Dagegen lässt das Innere dieser
Häuser das, oft nur aus einer russigen Küche und einem nothdürftigen Stall
besteht, im besten Fall noch eine ziemlich primitive Wohnstube enthält — der
Aermere schläft sonst auf dem Dachboden —, die Armuth dieses Völkchens nicht
verkennen.
[27] Dass der Stall dem Tschitschen notwendiger scheint als die Wohnstube, ist
natürlich; denn eine seiner wichtigsten Beschäftigungen ist die Viehzucht, der
Ackerbau vermöchte ihn nicht zu ernähren. Er muss ja noch ausserdem, will er
allen seinen Pflichten als Familienvater und Staatsbürger genügen, nach allerlei
Erwerbsquellen sich umsehen, um Geld zu erwerben. In den holzreichen Gegenden
schneidet er Fassdauben oder brennt Kohlen und bringt dieselben nach
Triest, wo
er letztere entweder an Parteien verkauft oder in Niederlagen absetzt. Oft
machen auch Zwischenhändler für ihn den Weg nach dem fernen
Triest, die ihm an
Ort und Stelle die Waare abfeilschen. Aus den Schieferbrüchen von Mune gewinnt
er Wetzsteine, die er weithin nach Krain und selbst nach Kärnten zu Markt trägt.
In früherer Zeit bereiteten die Tschitschen auch viel Essig, namentlich im Bezirk
Castelnuovo, und verfrachteten denselben auf ihren Saumthieren noch über Laibach
hinaus; die verwegensten aber suchten im Schmuggel von Salz, Tabak u. dgl. einen
unredlichen Erwerb. Letzteres Treiben ist ihnen wohl schon bedeutend gelegt
worden; auch die Diebstähle scheinen sich zu mindern, von Raub hört man nur noch
selten: so lässt sich denn annehmen, dass mit der Zeit, besonders wenn für
Erziehung und Bildung der Jugend besser gesorgt sein wird, auch dieses vorläufig
nicht eben gut beleumundete Völkchen eine höhere Stufe der Cultur noch erreichen
werde.
Das Recht des Wiederabdrucks oder der Uebersetzung steht lediglich dem Deutschen
und Oesterreichischen Alpen verein zu. Auszüge sind nur unter ausdrücklicher
Angabe der Quelle gestattet.
Druck von An Uni 1* ust et in Sukburg.
- Als massgebend sind hiebei angenommen worden: die Tracht und die
Lebensweise Sitten und Gebräuche Bildung und Beschäftigung. Desshalb sind auch
einige von den sogenannten Berkinen bewohnten Orte des Bezirks
Castelnuovo sowie
mehrere östliche Dörfer der Castuaner hier eingerechnet worden.
- So z. B. hatte die Gemeinde Vodice noch vor kurzem über 20%,
Castelnuovo 46%,
Mune 56%, Zejane sogar 65% Waldboden.
- Ein italienisches Sprichwort sagt wohl: La bora nasco a Sogna cresce a Fiunio
o umore a Triosto.
- Hinsichtlich der Lebensweise ihrer Bewohner nämlich;
denn im übrigen sind letztere den Slovenen beizuzählen mit denen sie nicht nur
körperlich lind geistig manchen Zug gemein haben sondern mit denen sie auch in
der Sprache übereinstimmen so dass ihre slovenische Abkunft wohl kaum bezweifelt
werden dürfte.
-
Carlo de Franceschi
l'Istria note storiche. Parenzo 1879. S. 22 & ff.
- Eine gründliche Abhandlung darüber unter dem Titel: Guerra dei Eomani contro
gl'Istri aus der Feder des seitdem verstorbenen Professors Peter Petruzzi
brachte die in Triest erscheinende Zeitschrift Mente e cuore. Jahrg. 1874 S. 11
& ff.
- Ausgesprochen in einem Briefe an Zacharias Mauer (Osservatore triestino
1871).
-
Franceschi
l'Istria cap. XV.
- A. A. O. cap. XVI.
- A. A. O. cap. XXXLX. wo sich ausführliche Angaben all der von Anfang des 7.
bis Ende des 17. Jahrhunderts stattgefundenen Einwanderungen finden.
-
Franceschi Zcählt seit dem 10. Jahrhundert allein 28 Pestjahre.
- Donkschriften der kais. Akademie der Wissenschaften.
Philosophisch-historische Classe. Band XXX.
- Carl Freiherr v. Czoernig Ethnographie der österreichischen Monarchie. Wien
1858. Bd. II. S. 64.
- Miklosich behauptet in seiner citirten Abhandlung über die Wanderungen der
Rumunen (S. 3) dass der Serbe den Süd-Rumunen den thraci-scheii Walachen nicht
Vlah sondern Cincar (Bettelkrämer) nennt. Darnach könnte der Name Tschitsche
auch aus Cincar nach Wegfall des nasalen n wofür sich im Südslavischen
zahlreiche Beispiele nachweisen lassen entstanden sein.
- Slavici die Rumänen S. 138.
- Zu vergleichen: Antonio Covaz dei Rimgliani o Vlahi d'Istria. (Zeitschrift
Istria 1840 S. 7 & 8.) — P. Kandler qualchecosa sulla lingua romanica (Istria
1848 S. 24G.) — Saggi di lingua valacca como si parla dai Romanici dell'Isria
(Istria 1849 S. 236.) — Graziano J. Ascoli sull'idioma friulano o sulla sua
affinitä colla lingua valacca. Udine 1846. — Dr. Miklosich Rumunischo
Untersuchungen. (Denkschriften d. Kais. Akad. d. Wissensch. Philos. histor. Cl.
Hd. XXXII.)
-
Franceschi
l'Istria S. 356 & ff.
- Eigentlich:
Giovanni Maria Manarutta (1627—1713) in seiner Istoria della
città di Trieste. Venetia 1698 S. 335.
- Miklosich bezieht sieh auf eine Urkunde v. J. 1373 in welcher ein District
"circa metas Bosnae et Corbaviae: Major Vlahia" genannt wird und meint dass aus
diesem die istrischen Rumunen gekommen sein dürften. (Denkschriften Bd. XXX.) —
Man vergleiche übrigens auch H. J. Biedermann -die Romanen S. 82 u. ff.
- In einer von der literarisch-artistischen Abtheilung des österreichischen
Lloyd 1863 herausgegebenen historisch-geographiseh-statistischen Darstellung von
Istrien ist die romanische Colonie am Cepicher See allein mit 5000 Seelen
angegeben. Dagegen gibt eine officielle ethnographische Karte der Markgrafschaft
Istrien v. J. 1S50 die riununischo Bevölkerung der Gerichtsbozirke
Castelnuovo,
Pisino und
Albona zusammen mit 2953 Seelen an. Czocrnigs Ethnographie zählt für
das gcsammte Istrien nur 2795 Rumänen. Dr. A. Schmidl undW. F. Warhanek wollen
in ihrem Werke das Kaiserthum Oesterreich Wien 1857 dio Zahl der Rumunen in
Istrien sogar nur mit 1500 Seelen berechnet wissen; indessen ergab dio
Volkszählung von 1880 für den einzigen freilich die meisten Uumunen enthaltenden
Bezirk Pisino 1562 Seelen.
- Dr.
Kandler im Codice diplomatico istriano.
- Dies ist dermalen nur im
Pfarrdorf Laniše der Fall. Wohl hat
Castelnuovo eine mehrklassige Volksschule;
allein da dieser Ort an der Nordgrenzo der eigentlichen Tschitscherei liegt so
kann höchstens noch das eine halbe Wegstunde entfernte Račice Nutzen davon ziehen. Und da der Unwirthlich-keit
des Bodens wegen die einzelnen Ortschaften häufig sehr weit von einander
abliegen dass beispielsweise der Cooperator von Laniie bald in Brest bald in
Bergodac den Gottesdienst abhalten muss so liisst sich leicht denken wie es mit
dor Bildung der Tschitsehen bestellt Ist.
- Von einer Wiedergahe ctwelcher Lieder glauben wir hier um so mehr Umgang
nehmen zu können als die Lieder der Südslaven in Uebersctzungen zur Genüge
bekannt sein dürften. Wir erwähnen nur Talvj Serbische Volkslieder; S. Kapper
die Gesänge der Serben; J. N. Vogl Marko Kraljevits; Anast. GTiin Volkslieder
aus Krain. So manches in diesen Sammlungen enthaltene Lied hört man auch von den
Tschitschen singen.
Wilhelm (Guglielmo, Viljem)
Urbas
Etnolog,
naravoslovec, predavatelj, publicist - * 14. jul. 1831
Ljubljana, + 15. nov. 1900 Gradec (Graz (nem.))
Urbas Viljem, etnolog,
naravoslovec, r. 14. jul. 1831 v Lj. služkinji Mariji,
u. 15. nov. 1900 v Gradcu. Osn. šolo je obiskoval 1840–3
v Lj., tu 1844–51 tudi gimn. (z mat.). Kaj in kje je
štud., za zdaj ni ugotovljeno, 1853–6 je bil v licejski
knjižnici naslednik J. Kosmača (SBL I, 531–2); na lastno
prošnjo razrešen je 1857 učil na Mahrovi (?) trg. šoli,
1867 aprobiran za prof. in prvo znano delovno mesto
nastopil v Gor. 1868–71, kjer je poučeval nem., franc.
in sloven. in bil 1871 tudi član izpitne komisije za
splošne ljud. in meščanske šole; 1872–97 je učil na
višji realki v Trstu nem., zemljepis, zgod., matemat.,
pisanje, včasih tudi sloven. V l. 1873 do 1892 je bil
član Deutsch. u. Österr. AlpenVereina v Trstu (imel 10
predavanj); 1875–83 je bil zunanji član odbora SM in
odseka za knjige, 1877 imenovan za začasnega okr. šol.
nadzornika za koprski in poreški okraj. Po upok. l. 1897
se je preselil v Gradec in tu poučeval na privat. gimn.
v glavnem iste predmete kot v Trstu.
U. je pisal pesmi, npr.: An
die Statue zu Strobelhof (IB 1849, 87, 345); z 8 pesmimi
in krajšo prozo sodeloval tudi v Vodnikovem spomeniku.
1859, 236–8, a v slov. je doslej znana njegova le ena:
Želja Slovenca na tujem (kdaj in kje prvič obj., ni
znano; J. Aljaž – SBL I, 8 – jo je sprejel v svojo
knjigo Pesmarica. Clc 1900, 10–2; gl. A. Funtek, LZ
1922, 711); več razprav (v slov. in nem.), npr.: Vraže
ali prazne vere (Vedež 1849, 167); Kako se zvezda vtrene
(ib. 189–90); V vsakim trenutku vmerje en človek (ib.
175); Nekaj od stare Lj. (ib. 1850, 76–7; ponatis Lč
1851, št. 96); Die gewöhnlichsten im Geschäftsleben
vorkommenden Aufsätze (1860, p. o. – revija ni
ugotovljena); O pregovorih in prilikah, sosebno
slovenskih (Jber. d. OberRealschule, Gor. 1869, 2–33; v
12 nadalj. tudi N 1869, 313 sl.; 1870, 4 sl.), U-ov
najpomembn. prispevek v sloven.; Über einige
wesentlichen Verschiedenheiten des Heliand im Vergleiche
mit Klopstock's Messias (ib. 37–55); Die Slowenen.
Ethnographische Skizze (Jber. d. deutschen
Staats–Oberrealschule. Trst 1873, 3–63); Zur Behandlung
des deutschen Sprachunterrichtes an den Mittelschulen
mehrsprachiger Länder (ib. 1879–80, p. o. 1–28); Über
Sagen und Märchen (ib. 1887–8, 1–22); Unterschiede
zwischen d. deutschen u. slowenischen Syntax (ib.
1892–3, 1–30; gl. LZ 1894, 60); Die oround
hydrographischen Verhältnisse Krain's (Zft des.
Deutschen u. Österr. Alpen–Vereines 1874, 296–312); Die
Gewässer von Krain (ib. 1877, 147–63); Das Phänomen des
Zirknitzer Sees und die Karstthäler von Krain (ib. 1879,
17–33); Die Tschitscherei und die Tschitschen (ib. 1884,
1–27; gl. LZ 1882, 123; 1884, 384); Das Volksleben d.
Slovenen (Die österr: ung. Monarchie in Wort u. Bild,
Dunaj 1891, 353–78; ilustr. J. Šubic, SBL III, 711–2);
Aberglaube d. Slowenen (Zft f. osterr. Volkskunde,
Dunaj–Praga, 1898, 142 do 152); v sloven. je napisal
knjigo: Dr. E. H. Costa. 1877 (kot vir uporabil 35 zv.
Costovih dnevnikov; gl. J. Pajk, Zora 1878, 78–80;
Glaser III, 87).
U. je publiciral 50 let,
doslej znanih pa je 21 bibliogr. enot. Ne glede na
njihovo veliko raznoterost z današ. vidika (jezikovna
metodika, folkloristika, primerjal. književnost,
etnologija, geografija, kultur. zgod.) je U-ovo pisanje
v vseh prispevkih strok. resno in odgovorno, s suverenim
poznavanjem predmeta in literature o njem, ki jo je
vedno kritično upošteval. Njegovi nem. pisani prispevki
kažejo, da je za Slov. deloval predvsem strokovno
(proučeval že tudi socialno kulturo pri Slov.), ni pa
doslej nikakršnih podatkov, da bi tudi družb.–polit.;
vprašanje je, zakaj ni bil bolj živo v stikih s slov.
kult. krogom, od katerega se je ločil tudi po svojem
etnol. konceptu nasproti filološko–folklorističnemu.
Prav U-ovi etnološki prispevki so najpomembnejši in
kažejo, da se je realistična smer slov. etnološke misli
začela z U-om (že 25 let pred M. Murkom, SBL II,
169–75), le da se romantični narodnoprebudno delujoči in
večinoma že slov. pišoči niso navezovali nanj, prav tako
pa so šli tudi poznejši raziskovalci slov. etnologije
mimo njega. – Prim.: r. matice stol. župnije (Lj.);
popis prebivalstva Lj. iz 1857 (MALj); Glaser III, 86–7;
Lilek III-IV, 27; Juventus 1845, 17; 1846, 15; 1848, 6;
1849, 3; E. H. Costa, N 1858, 34–5; Vodnikov spomenik.
1859, 268; Jber. d. Ober–Realschule Gor., 1868–71; Jber.
d. deutschen Staats-Oberrealschule Trst, 1872 do 1897/;
1894/5, 53; LMS 1875–83 (seznam odbornikov); ib. 1900,
18; SU 1877, 190–1; Jb. d. hoheren Unterrichtswesens in
Österr…. Dunaj 1890, 173; 1898, 112; P. A. Pazze,
Chronik d. Section Küstenland des DÖAV 1873 do 1892.
Triest 1893, 370–1; N 1900, 460; MMK 1907, 92;
Narodopisje Slov. I. 1944, 216, 261; II. 1952, 162; Bibl
JLZ; M. Stanonik, Slov. etnograf 1979, 27–36. - Slika:
NUK (iz l. 1874). Stanonik
Stanonik Marija
Sources:
- https://www.dlib.si/v2/Results.aspx?query=%27udc%3DEtnologija%27&pageSize=20&fUDC=Domoznanstvo&flanguage=ger&fyear=1884
and
- https://www.dlib.si/v2/PreviewSave.aspx?urn=URN:NBN:SI:doc-ZYDTQ36P
- © Slovenski Biografski Leksikon
- https://nl.ijs.si:8080/fedora/get/sbl:4095/VIEW/
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